Kolonialer Konsum: Tabak- und Kolonialwarenläden

f-kolonialwarenladen
Stadtarchiv Heidelberg

Wie in den meisten deutschen Städten bildeten auch in Heidelberg sogenannte Kolonialwarenläden einen festen Bestandteil der städtischen Konsumkultur. Im Jahre 1891 existierten in der Stadt 37 Händler mit der Bezeichnung „Kolonialwaren“ im Geschäftsnamen. Hinzu kamen 17 spezialisierte Tabak- und Zigarrenläden sowie ein „Spezialgeschäft für Thee, Kaffee, Schokoladen, Cacao, Spirituosen“, die meisten davon in der Hauptstraße der Altstadt gelegen.[1] Genussmittel wie Kaffee, Kakao, Tee und Tabak, Südfrüchte sowie weitere Lebensmittel, die über den Überseehandel nach Europa importiert wurden, standen üblicherweise zum Verkauf. Im Zuge der europäischen Expansion wurden die Herkunftsregionen dieser Güter – Amerika, Asien und Afrika – in ein globales Handelsnetz integriert. Auf Plantagen angepflanzte Rohstoffe wurden nach Europa exportiert, um dort entweder weiterverarbeitet (beispielsweise Kakaobohnen zu Schokolade) oder direkt verkauft zu werden. In der Folge kam es nicht nur zu einer Ausweitung des Lebensmittelsortiments in Europa, sondern auch zur Etablierung neuer Konsumgewohnheiten – man denke an das Pfeife Rauchen, die Tea-time oder das Kaffeekränzchen. Fremde Güter bildeten so die Basis für später als ganz europäisch verstandene Teile der Alltagskultur; sie durchliefen einen Aneignungsprozess.[2]

Wie schon der Name sagt, lässt sich die Geschichte der Kolonialwaren nicht ohne den Kontext des Kolonialismus verstehen. Die Verbreitung von Produkten des globalen Südens nach Europa war sowohl eine Folge, als auch ein wichtiges Ziel des Strebens nach Kolonialbesitz. Der Export nach Europa war wesentlicher Antrieb des kolonialen Wirtschaftssystems. Enteignungen, Zwangsarbeit, Ausbeutung, und die Beschneidung landwirtschaftlicher Vielfalt seine Folgen vor Ort in den Kolonien.[3]

Neben ihrer Produktion, war auch die Vermarktung der Waren von kolonialen Mustern geprägt: Die Werbung insbesondere für Genussmittel, wie Tabak, Kaffee und Schokolade, griff häufig auf exotisierende und rassistische Bilder zurück. Ein serviler „Mohr“, halbnackte afrikanische Kinder unter Palmen und ähnliche Motive fanden sich auf Reklameschildern, Sammelbildchen und Verpackungen, teils auch in Firmenlogos.[4]

Ein Beispiel für koloniale Werbebilderung aus der Heidelberger Lokalgeschichte ist der „Mohr“ im Schaufenster von Tabak Scheuring. Seit 1891 ist der ein Jahr zuvor eröffnete Laden August Scheurings im Adressbuch der Stadt als „Zigarren- und Tabakhandlung“ in der Hauptstraße 172 verzeichnet und bis heute ist die überzeichnete Figur eines im Schaufenster sitzenden Schwarzen Mannes, der Bastrock und Fez trägt, Zigarren anbietet und insgesamt das Bild eines dienenden, „unzivilisierten“ Afrikaners der Kolonialzeit bedient, das Wahrzeichen Tabak Scheurings.

Der Konsum von kolonialen Produkten in Heidelberg und andernorts in Europa war nicht nur – und für den Verbraucher wenig sichtbar – mit Ausbeutung und ungleichen Handelsstrukturen verknüpft, sondern auch ganz plakativ sichtbar mit kolonialen Denkweisen, rassistischen Bildern und der Sehnsucht nach Exotik.

Carolin Liebisch

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[1] Quelle: Adreßbuch der Stadt Heidelberg nebst den Stadtteilen Neuenheim und Schlierbach für das Jahr 1891, Heidelberg 1891.

[2] Dazu Menninger, Annerose: Genuss im kulturellen Wandel. Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade in Europa (16.-19. Jahrhundert), Stuttgart 2004; Wendt, Reinhard: Kolonialwaren, in: Europäische Erinnerungsorte Bd.3: Europa und die Welt, hrsg. v. Pim den Boer et al., München 2012, S. 207-213.

[3] Conrad, Sebastian: Deutsche Kolonialgeschichte, München 2008, S. 55f.

[4] Siehe z.B. Zeller, Joachim: Bilderschule der Herrenmenschen. Koloniale Reklamesammelbilder, Berlin 2008.