Koloniale Spurensuche in Heidelberg
Was hat Kolonialismus mit Heidelberg, dieser kleinen vielbesuchten, vielbesungenen und romantisch verklärten Universitätsstadt am Neckar, zu tun? Diese Frage stand am Ausgang unserer Recherchen, die wir seit 2012 in Bibliotheken und Archiven der Region unternahmen. Angeregt durch das allgemeine Interesse unserer Gruppe an Kolonialgeschichte und postkolonialer Theorie und inspiriert durch ähnliche Projekte in anderen Städten, begaben wir uns auf die Suche nach kolonialen Spuren in der Heidelberger Lokalgeschichte. Wir wurden fündig. Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass nicht nur große Hafenstädte wie Hamburg oder Bremen eine Rolle in der deutsche Überseegeschichte spielten. Kolonialismus in seinen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Ausformungen erfasste seit Ende des 19. Jahrhunderts weite Teile der deutschen Gesellschaft, die süddeutsche Provinz nicht ausgenommen.
In Heidelberg nahm die Universität als Produktionsort und Umschlagplatz von Wissen eine besondere Stellung bei der Verbreitung und Legitimierung kolonialer Denkweisen ein. Wissen über andere Teile der Welt und deren Gesellschaften wurde hier geschaffen, verbreitet und wissenschaftlich zementiert. Das Interesse für ferne Länder führte zur Einrichtung zahlreicher neuer Fächer wie etwa der Völkerkunde, der Tropenhygiene und der Orientwissenschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg, der das Ende der deutschen Kolonialherrschaft in Afrika und Asien einläutete, waren Wissenschaftler und Mitglieder der Heidelberger Sektion der Deutschen Kolonialgesellschaft prominent an dem ideologischen Kampf um die Wiedererlangung der Kolonien beteiligt. Auch außerhalb der Universität lassen sich in Heidelberg koloniale Spuren finden, vor allem im wirtschaftlichen Kontext. Tabakhandel und Kolonialwarengeschäfte waren Teil des alltäglichen Heidelberger Lebens. Gleichzeitig wird am Beispiel Heidelbergs deutlich, dass koloniale Strukturen durchaus anfechtbar oder unterlaufbar waren: Kritische Heidelberger Stimmen wiesen auf Unterdrückung und Ungerechtigkeiten hin und Intellektuelle aus außereuropäischen Ländern, wie José Rizal und Muhammad Iqbal, fanden in Heidelberg Ideen und Diskussionsräume in denen sie sich geistig entfalten konnten. www.schwarzweiss-hd.de