Iqbalufer: Muhammad Iqbal

Die Universität Heidelberg gewinnt im Laufe des 19. Jahrhunderts international an Reputation. Es gelingt ihr, auch außereuropäische Studierende vermehrt anzuziehen, so z.B. den Dichter, Philosophen und späteren pakistanischen Nationaldichter Muhammad Iqbal (geb. 9. November 1877 in Sialkot; gest. am 21. April 1938 in Lahore). Iqbal, der als geistiger Vater Pakistans gilt, begann um 1900 nationalromantische Gedichte auf das damals noch nicht geteilte und unter britischer Kolonialherrschaft stehende Indien zu verfassen. Heute gilt er als einer der einflussreichsten islamischen Denker des 20. Jahrhundert.[1]
1905 zog es Iqbal von Britisch-Indien nach Cambridge, wo er began, sich mit Hegel auseinander zu setzen. Das Interesse an Hegel brachte ihn schließlich auch nach Heidelberg. Hier verliebte er sich in seine Deutschlehrerin Emma Wegenast, die ihn mit deutscher Literatur und Philosophie, v.a. Goethe, Heine und Nietzsche bekannt machte.
Nach dem Abschluss seiner Promotion zur “Entwicklung der Metaphysik in Persien” in München kehrte er 1908 wieder nach Lahore zurück. Seine Zeit in Heidelberg galt für Iqbal Zeit seines Lebens als ein ‘schöner Traum’, wie er es selbst in Briefen an Emma Wegenast formulierte.
Iqbal sah die Gründe der erfolgreichen Expansion Europas wie viele seiner reformatorisch orientierten muslimischen Zeitgenossen in der „intellectual paralysis“ der islamischen Welt begründet, die es Europa ermöglichte, diese zu überholen. Aufgabe ‚moderner‘ Muslime sei es deshalb, den Islam neu zu denken, ohne aber vollständig mit seiner Geschichte zu brechen. Wichtig hierfür sei eine kritische Auseinandersetzung mit dem europäischen Denken, schreibt Iqbal: “The only course open to us is to approach modern knowledge with a respectful but independent attitude and to appreciate the teachings of Islam in the light of that knowledge.“[2]
Die Auseinandersetzung mit europäischem Denken, insbesondere mit Goethe und deutscher Philosophie beeinflussten Iqbals Denken maßgeblich. Er entwarf eine Philosophie der Selbstverwirklichung, die nicht nur Individuen, sondern auch Völkern die Fähigkeit zuschrieb, zu sich selbst zu finden – wodurch die Legitimität der britischen Kolonialherrschaft, die auf der erzieherischen Rolle des Empires beruhte, in Frage gestellt wurde. Bei aller Bewunderung für europäische Philosophie sah er in Europa ein Hindernis für die ethische Entwicklung des Menschen – diese könne auch dem aufgeklärten Menschen nur durch den Islam ermöglicht werden. Dem Islam näherte sich Iqbal von verschiedenen Seiten an – historisch, religionswissenschaftlich, sozialphilosophisch und politisch. Später setzte er sich als Präsident der All-India-Muslim League für eine Teilung Indiens und einen separaten muslimischen südasiatischen Staat ein – ein Ziel, das sich erst nach seinem Tod verwirklichen sollte. Trotz aller Kritik war es Iqbal Ziel, eine neue muslimische Gemeinschaft hervorzubringen – über ethnische und sprachliche Grenzen hinweg.