Heidelberger Abteilung der Deutschen Kolonialgesellschaft

Die deutsche Kolonialgesellschaft[1] war eine zivilgesellschaftliche Gruppierung und gleichzeitig ein wichtiges Zugpferd der deutschen Kolonialbewegung. Als Ziel hatte sie sich gesetzt, den „kolonialen Gedanken“ in der deutschen Gesellschaft zu verbreiten. Neben der Organisation von Lobby- und Propagandaarbeit wurden die Kolonialvereine zu einem Treffpunkt und Netzwerk einflussreicher Bürger.

Die Mitglieder der Deutschen Kolonialgesellschaft setzten sich hauptsächlich aus dem wohlhabenden bürgerlichen Milieu zusammen: Unternehmer*innen, Wissenschaftler*innen und sog. Privatiers konstituierten den Verein. 1882 trat die Heidelberger Handelskammer zunächst als korporatives Mitglied dem im selben Jahr gegründeten „Deutschen Kolonialverein“ bei. Als sich 1887 die deutschen Kolonialvereine zur „Deutschen Kolonialgesellschaft“ (DKG) zusammenschlossen, änderte auch die Heidelberger Abteilung ihren Namen in „Abteilung Heidelberg der Deutschen Kolonialgesellschaft“. Ein eigener Ortsverein gründete sich in Heidelberg erst auf Anfrage der Berliner Zentrale des Kolonialvereins hin im Jahr 1886. Erst dann entfalteten die Heidelberger Kolonialbewegten vor Ort eine eigene Öffentlichkeitsarbeit. Als erste öffentliche Veranstaltung luden sie im November 1986 zu einem Vortrag über die deutsche Kolonie Kamerun in den Gartensaal der „Harmonie“ ein.

„Harmonie“, wikimedia commons

In den ersten Jahren war die Heidelberger Abteilung ein überschauliches Grüppchen mit 25 bis 40 Mitgliedern. Die Burschenschaften Allemania und Frankonia gehörten der Abteilung als korporative Mitglieder an. Erst ab 1905 entfaltete die Abteilung eine größere Aktivität durch ihren neuen Vorsitzenden Prof. Alfred Hettner. Insbesondere infolge der Reichstagswahlen 1906/07 erhielt die Abteilung Zuwachs und konnte Ende des Jahres 1907 bereits 103 Mitglieder verzeichnen. Im Wahlkampf 1906/1907 waren die deutschen Kolonien das zentrale Thema. Zuvor war der Reichstag aufgelöst worden, weil die Opposition die Kriegskredite für den genozidalen Kolonialkrieg gegen die Herero und Nama in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika nicht genehmigen wollte. Der Wahlkampf hatte die Auseinandersetzungen um die deutsche Kolonialpolitik bis in die Wohnzimmer und Kneipen der Provinz getragen, die Heidelberger Abteilung der DKG selbst hatte während des Wahlkampfs durch vermehrte Vorträge in Heidelberg sowie Flugblätter versucht, die Bevölkerung für ihre pro-koloniale Position zu mobilisieren.

Um 1911 war die Heidelberger Abteilung ein Stelldichein von einflussreichen Bürgern: der Afrikareisende Hans Himmelheber, der Kolonialverwalter von Gunzert und aus der Familie Landfried waren gleich fünf Männer Mitglied. Der Geographie-Professor Alfred Hettner, der Gründer des geographischen Instituts der Universität Heidelberg, war Vorsitzender der Heidelberger Abteilung. Sein ehemaliger Assistent, Franz Thorbecke, erhielt einen großen Zuschuss für eine Forschungsreise in die Kolonie Kamerun, die er 1911 gemeinsam mit seiner Ehefrau Marie-Pauline Thorbecke und seinem Assistenten Leo Waibel antrat.

Das Interesse für Kolonien und Kulturen in Übersee verstärkte sich in der deutschen Gesellschaft besonders nach dem Ersten Weltkrieg, nachdem das Deutsche Reich im Versailler Vertrag seine Kolonien formal hatte aufgegeben müssen. Genährt vom Mythos, die Alliierten hätten Deutschland illegitimerweise die Kolonien geraubt, mobilisierte die Kolonialbewegung Anhänger. Ziel war, die Kolonien zurück zu bekommen. Von ca. 42.000 Mitgliedern im Jahr 1914 stieg die Mitgliederzahl der Kolonialgesellschaft im Jahr 1938 deutschlandweit auf eine Million. 1933 wurde die Kolonialgesellschaft von der nationalsozialistischen Regierung gleichgeschaltet, in Reichskolonialbund umbenannt und umstrukturiert. Erst als 1943 die Kolonialpolitik in der nationalsozialistischen Kriegszielplanung aufgegeben wurde, wurde auch der Reichskolonialbund aufgelöst. Damit kam die Institution der Kolonialgesellschaft zu einem Ende; die kolonialen Gedanken überdauerten jedoch diesen institutionellen Bruch.

In Heidelberg trat die Kolonialgesellschaft vor allem durch Lichtbildvorträge in der Öffentlichkeit auf. Regelmäßig veranstaltete sie Informationsabende über Interessensgebiete Deutschlands und die deutschen Kolonien. Dabei traten Wissenschaftler aus der Heidelberger Abteilung wie Thorbecke und Hettner auf, darüber hinaus wurden Redner eingeladen. Für diese Veranstaltungen kooperierte der Verein mit andere Heidelberger Institutionen. Da die Heidelberger Kolonialgesellschaft keine eigenen Räumlichkeiten hatte, stellten ihr der Kaufmännische Verein, die Harmoniegesellschaft sowie die Universität regelmäßig ihre Räume zur Verfügung.

Um Wissen über die Kolonien öffentlich zu verbreiten, wurden die Zeitschriften und Vereinsorgane wie die Deutsche Kolonialzeitung öffentlich zugänglich im Lokal des Kaufmännischen Vereins ausgelegt, ab 1908 in der Städtischen Volkslesehalle in der Seminarstraße 1. Folgende Zeitschriften hatte die Gesellschaft abonniert: Deutsche Kolonialzeitung, Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft, Amtliches Kolonialblatt, Mitteilungen aus den Schutzgebieten, Kolonie und Heimat in Wort und Bild, Deutsche Erde, Koloniale Zeitschrift, Deutsche Kolonien, Mitteilungen für Aussiedler, Der Tropenpflanzer. Die älteren Jahrgänge stellte Hettner in einem Nebenraum des Geographischen Seminars der Universität zur Verfügung.

Anfang 1911 gründete sich in Heidelberg auch eine Abteilung des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft. Über sie ist nur bekannt, dass sie 1911 ein Wohltätigkeitfest für die Kolonien veranstalteten. In den 1920er Jahren lud sie gemeinsam mit der Kolonialgesellschaft zu Lichtbildvorträgen ein.

Caroline Authaler

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[1] Quelle: Häberle, Daniel: Zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen der Abteilung Heidelberg der Deutschen Kolonialgesellschaft, Heidelberg 1911.