Corps Rhenania: Heinrich Schnee

Das Corps Rhenania zu Heidelberg verzeichnet als einen der „bedeutenden Heidelberger Rhenanen“ den Kolonialpolitiker Heinrich Schnee (1871-1949), der in den frühen 1890er Jahren in Heidelberg Jura studierte. Anschließend wechselte Schnee zum Studium, unter anderem der „Kolonialwissenschaften“, nach Berlin und promovierte dort 1893. Schnee machte vor dem Ersten Weltkrieg Karriere als einer der wichtigsten deutschen Kolonialbeamten mit Stationen in Deutsch-Neuguinea, Samoa, sowie im Reichskolonialamt. 1912 wurde er Gouverneur von Deutsch-Ostafrika. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges hielt er von Beginn an einen Kampf um die Kolonie für nicht aussichtsreich und befürwortete eine Kapitulation, auch um einen Kampf der „weissen Rasse“ untereinander unter kolonialen Bedingungen zu vermeiden.[1] Damit stellte sich damit gegen den Kommandeur der Schutztruppe, Paul von Lettow-Vorbeck. Dieser konnte sich mit seiner Vorstellung, durch den Krieg in Afrika möglichst viele alliierte Truppen von Europa fernzuhalten, durchsetzen und startete in der Region einen – in der Heimat gefeierten – Guerillakrieg mit grossen Verlusten für die afrikanische Bevölkerung.
Nach dem Ersten Weltkrieg positionierte sich Schnee als Wortführer des deutschen Kolonialrevisionismus und trat im nationalen und internationalen Rahmen vehement für die Rückgabe von Kolonien an Deutschland ein. 1920 gab er das Deutsche Koloniallexikon heraus, welches bereits vor dem Krieg fertiggestellt worden war.[2] Mit Publikationen wie Die Koloniale Schuldlüge (1924) verurteilte Schnee den „Raub“ der deutschen Kolonien durch die Alliierten.[3] Heftig kritisierte er die Argumentation, dass Deutschland sich als moralisch unfähig zur kolonialen Herrschaft erwiesen hätte. Er präsentierte die deutschen Kolonialverwaltungen und ihre „Kulturleistungen“ als wohlgeordnet und gerecht, was sich laut Schnee unter anderem in der Loyalität der afrikanischen Bevölkerung zu den Deutschen im Weltkrieg gezeigt hätte.[4]
Schnee blieb in den 1920er und 1930er Jahren einer der bekanntesten Vertreter des Kolonialrevisionsmus und wurde 1931 Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft (sein Vizepräsident war Konrad Adenauer). Nach dem japanischen Überfall auf die Mandschurei im gleichen Jahr wurde Schnee in die sogenannten Lytton-Kommission des Völkerbunds berufen, offensichtlich hinzugezogen als Experte in Kolonialfragen. Zusammen mit weiteren europäischen und US-amerikanischen Kolonialpolitikern bereiste Schnee im Frühjahr 1932 die Region, um den chinesisch-japanischen Konflikt zu untersuchen und in einem Bericht (dem sogenannten Lytton-Report) einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten, welcher allerdings nicht umgesetzt wurde.[5] 1933 trat er der NSDAP bei. Durch die neuen Machthaber erhoffte er sich eine Stärkung seiner Ideen der Rückgewinnung deutscher Kolonien. Nach 1945 zeigte er sich enttäuscht von den Nationalsozialisten, die 1936 die Deutsche Kolonialgesellschaft aufgelöst und in den NS-Reichskolonialbund überführt hatten[6]; bis 1945 vertrat er jedoch die NSDAP im Reichstag. 1949 starb Heinrich Schnee in Berlin.